Nora Imlau, Nestlé und ich. Und die Frage: Bin ich etwa dogmatisch?

Nora Imlau, Nestlé und ich und die Frage bin ich etwa dogmatisch?

Manchmal liest man einen Text und die Worte wirken noch lange nach.

Mir geht es im Moment so. Immer noch, denn in meinem Kopf hallt das Echo eines Facebook-Posts von Nora Imlau nach. Bereits seit einigen Wochen. Für all die, die Nora noch nicht kennen. Nora ist eine tolle, engagierte und schlaue Frau, die sich als Autorin und Journalistin für bedürfnis- und vor allem bindungsorientierte Elternschaft stark macht. Mit ihrer Arbeit unterstützt sie Familien darin respektvoll, achtsam und auf Augenhöhe miteinander umzugehen. Auch wenn unsere Ressourcen manchmal begrenzt sein mögen, denn mal ganz ehrlich. Keiner ist immer perfekt, oder?

Und genau darum drehte sich auch ihr Post. Es war eine Auflistung von Dingen, mit denen sie sich ihr Leben und ihren Alltag mit Kindern leichter macht. Und es waren Dinge und Strategien, die wir wahrscheinlich ALLE kennen und ab und an nutzen um verschnaufen zu können und den tagtäglichen Stresspegel herunterzufahren.

Unser Kleinkind darf Fernsehen, unsere Schulkinder sowieso.

Unseren Wocheneinkauf bringt der Lieferdienst, unser Bad putzt unsere Haushaltshilfe, und der Kuchen für den Kindergeburtstag stammt von Coppenrath und Wiese.

Wir haben Plastikspielzeug. Wir nutzen Wegwerfwindeln. Wir boykottieren nicht Nestlé.

Eigentlich nicht weiter spektakulär, oder? Meine Kinder dürfen auch fernsehen, wenn mir alles zu viel wird. Wenn da eben dieses Nestlé-Beispiel nicht wäre, das mir echte Bauchschmerzen bereitet. Das Beispiel eines Konzerns, der nicht nur ökologisch, sondern vor allem aus Gründen der Menschenrechte seit Jahrzehnten höchst umstritten ist. Dabei ging es sogar um Kinderarbeit und Todesfälle.

Ist es jetzt also irgendwie ok einen schlechten Konzern zu unterstützen, nur weil man eben gestresst ist?

Und ist es wirklich so schwierig an einem prall gefüllten Supermarktregal eine verantwortungsvolle Kaufentscheidung zu treffen?

Offensichtlich ja, denn viele haben auf Nora’s Post reagiert und ihn kommentiert. Einige mit Entsetzen und Enttäuschung, sehr viele hingegen mit großer Erleichterung und leidenschaftlicher Begeisterung. Nora’s Worte scheinen für viele wie eine Absolution und ein Freispruch von all den Erwartungen und dem Gewicht einer Konsumverantwortung, die wohl (zu) schwer auf unseren Schultern zu lasten scheint. Und Nora hat das Beispiel Nestlé sehr bewusst gewählt (ihr Blogbeitrag dazu). Nestlé als Sinnbild für Konsum wider besserem Wissens.

Aber warum ist denn bewusster und achtsamer Konsum nur so ein Riesen-Stressfaktor? Niemand verlangt von uns unser Gemüse nur noch im Eigenanbau zu produzieren, von heute auf morgen vegan zu leben oder alles selber herzustellen.

Oftmals geht es nur darum nachzudenken und im selben Laden wie immer ein Produkt durch ein anderes zu ersetzen.

Ohne Extra-Aufwand und ohne Mehrkosten.

Ist DAS wirklich schon zu viel? Echt jetzt? Dabei geht es mir auch gar nicht um richtig und falsch, gut und böse oder schwarz und weiß. Es geht mir vielmehr um Prioritätensetzung. Menschen verbringen Stunden ihres Lebens mit Fragen wie was soll ich anziehen, wohin geht’s im nächsten Urlaub oder welche Wandfarbe passt am besten in meine Wohnung. Unsere Natur und unsere Mitmenschen (auch die am anderen Ende der Welt) haben doch mindestens genau so viele Gedanken verdient, oder etwa nicht? Stress hin oder her! Vor allem, wenn man so leicht ein Zeichen setzen kann wie beim täglichen Einkauf.

Ihr merkt schon. Nora’s kleiner Post hat mich ziemlich beschäftigt. Und ich habe gemerkt, dass ich am Liebsten sehr heftig darauf reagiert hätte. Wahrscheinlich auch nicht mehr zu 100% sachlich und vielleicht sogar dogmatisch.

Habe ich aber nicht, denn eines ist sonnenklar:

Man muss eben immer wissen, WARUM man etwas tut, denn nur so wird es wichtig und schließlich zu einem Herzensprojekt. Egal, ob beim plastikfreien Einkauf oder beim Boykott einer Firma wie Nestlé.

Im Fall von Nora hat eine gute Freundin (Anna) genau diesen Part übernommen und verständnisvoll, sachlich und ganz persönlich erklärt, anstatt mit Druck zu missionieren (hier geht’s zum Beitrag).

Und genau dadurch keimte in mir plötzlich der Wunsch, in meinen Konsumentscheidungen in Zukunft doch mehr wie Anna zu handeln: Nicht aufzugeben angesichts der Vielzahl ethischer Problematiken beim Einkaufen, sondern mich ganz bewusst auf ein, zwei schaffbare Projekte zu konzentrieren, und zwar mit viel Nachsicht und Freundlichkeit mir selbst und meiner Familie zu konzentrieren.

Ist das nicht großartig? Und so viel besser als schwarz und weiß! Danke Anna ;-)…

Hört also nie auf miteinander zu sprechen und einander wirklich zu zuhören.

Es lohnt sich. Immer!

Und so erreichen wir am Ende Großes. Gemeinsam!

 

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Tipps zum Weiterlesen:
  • Auch Rachel von MamaDenkt hat über Dogmatismus nachgedacht. Bei eine Frage der Nachhaltigkeit.
  • Die Welt retten trotz Alltagsstress? Meine Tipps dafür gibt es hier.

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